Die SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Hameln-Pyrmont hatten zu einer gemeinsamen Anti-Atom-Veranstaltung eingeladen und weit über 300 Interessierte waren in die rappelvolle Sumpfblume gekommen, um ihren Unmut über den Atomkurs der Bundesregierung Luft zu machen.

"Schwarz-Gelb sind nicht umsonst die Farben für Radioaktivität. Deshalb muss diese Regierung weg", machte der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, unmissverständlich seine Haltung zur derzeitigen Regierung aus CDU, CSU und FDP deutlich, Doch nicht nur die Regierungsparteien sind ihm ein Dorn im Auge, Trittin plädierte vehement dafür, "die alten Möhren" - womit er die deutschen Atomkraftwerke meinte - sofort abzuschalten. Der grüne Bundespolitiker zweifelt die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke an. "Die Regierung behauptet, wir hätten die sichersten AKWs der Welt, das sagen auch die Schweden und die Schweizer. In Wirklichkeit haben wir hier in Deutschland den drittältesten Kraftwerkspark der Welt und mit Biblis das älteste Kraftwerk der Welt. Und diese alten Möhren sollen künftig den wechselnden Lastbedarf abdecken, mal auf 100 Prozent rauf, mal auf 40 Prozent runter gefahren werden. Das schaffen sie aber nicht bei den Sicherheitsstandards. Und deshalb sollen diese jetzt auch herabgesenkt werden." Laut Trittin sei dann nicht mehr "die bestmögliche Vorsorge der AKWs nötig, sondern nur noch die angemessene und geeignete".

Die von der Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung sei laut Trittin alles andere als eine "Brücke ins Solarzeitalter". Nicht nur, dass der radioaktive Müll um noch einmal 1200 Tonnen erhöht werde, die Laufzeitverlängerung bremse auch den Ausbau der erneuerbaren Energie aus und erhöhe die Profite der vier großen Stromriesen, was den Strompreis nur in die Höhe treiben werde. "Diese Entscheidung muss man verhindern", forderte Trittin und kündigte gleichzeitig eine Klage seitens der Grünen an, wofür er - wie mehrfach an diesem Abend - frenetischen Beifall erntete.

Der Grünen-Chef Jürgen Trittin, der am Samstag weiter ins Wendland zu den Protestaktionen reiste, war nicht der einzige hochkarätige Redner am Freitagabend in der Sumpfe. Unter der Moderation der heimischen Bundestagsabgeordneten der SPD Gabriele Lösekrug-Möller und der Grünen-Landesvorsitzenden Anja Piel waren auch SPD-MdB und Vizevorsitzender des Gorleben-Untersuchungsausschusses Sebastian Edathy, SPD-MdL Petra Emmerich-Kopatsch, Grünen-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag Stefan Wenzel sowie Britta Kellermann und Hannelore Plate vom Anti-Atom-Plenum Weserbergland als erklärte Atomkraftgegner auf dem Podium vertreten.

Sehr still wurde es in der Sumpfe, als Petra Emmerich-Kopatsch als Mitglied im Untersuchungsausschuss zur Asse von den bisherigen Ergebnissen berichtete, aus den Akten, die mittlerweile aus mehr als einer Millionen Blätter bestehe. "Es handelt sich bei dem Müll um eine Überforderung des menschlichen Geistes. Solche Ausmaße können wir uns gar nicht vorstellen. Es gibt Hinweise, dass auch Atommüll aus anderen Ländern in der Asse eingelagert wurde. Es wird Zeit, Verantwortung zu übernehmen". Sie prangerte auch an, dass die Niedersächsische Regierung keine Informationen zu Forschungen herausgibt, in denen die Auswirkung von Tritium auf den menschlichen Körper und damit als mögliche Ursache von Leukämie getestet wurde.

Stefan Wenzel erinnerte daran, dass hochrangige Institute 1969 erklärt hatten, die Asse sei sicher für alle Zeiten. "Der Fall, der nie eintreten sollte, trat bereits zehn Jahre nach der Einlagerung ein, wurde aber erst einmal geheim gehalten". Und während der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff noch behauptete, dort liege nur Krankenhaus-Abfall, wisse man nun, dass mehr als 16 000 Fässer mit Plutonium und hoch radioaktiven Müll dort lagern. Auch Sebastian Edathy vom Gorleben-Untersuchungsausschuss brachte erste Eindrücke aus dem Ausschuss mit nach Hameln: "Es verdichtet sich immer mehr der Eindruck, dass Gorleben denkbar ungeeignet ist als Endlager".

Er sprach über Verfälschungen und Manipulationen wissenschaftlicher Untersuchungen, damit diese Gorleben als geeignet darstellen sollten. Mittlerweile haben sich Wissenschaftler beim Ausschuss gemeldet und wollen ihre wahren Untersuchungen darstellen. "Die Wissenschaftler wollten immer die Untersuchung von mehreren Endlager-Standorten, nur die schwarz-gelbe Regierung will das nicht, sie behart auf Gorleben", so Edathy. Und Stefan Wenzel unterstrich: "Gorleben wird der Sargnagel für die Atomindustrie".

Britta Kellermann und Hannelore Plate erinnerten an die Schlacht um Grohnde und an den Widerstand in der Region. "Grohnde produziert 20 bis 30 Tonnen hoch radioaktiven Müll pro Jahr und das seit 25 Jahren", so Kellermann. Und sie fragte die Politiker vor Ort, wo sie waren, als das Bundesamt für Strahlenschutz im Dezember 2002 die Genehmigung für das Zwischenlager in Grohnde erteilte. "In der Kartoffelhalle, wie wir die als Zwischenlager genutzte Halle nennen, produzieren die Castoren eine Temperatur von 200 Grad Celsius, die durch zwei Lüftungsschächte einfach an die Umgebung abgegeben werden. Und wenn man die Betreiber fragt, sagen die nur, so ein bisschen Strahlung wird ihnen doch nichts ausmachen. Und über die Sicherheit dieses Zwischenlagers wollen wir gar nicht erst reden", sagte Kellermann.

Am Ende einer über dreistündigen Veranstaltung, in der auch eine rege Diskussion mit den Zuhörern stattfand, stand die "Hamelner Erklärung", die Gabriele Lösekrug-Möller vorstellte. Darin sprechen sich die Unterzeichner für einen möglichst zeitnahen Atomausstieg, für den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien, eine ergebnisoffene Endlagersuche und eine konsequente Energiewende im Weserbergland aus.
Und als Ziel wurde angepeilt, dass bis zum Jahr 2020 bereits 50 Prozent des benötigten Bedarfs aus erneuerbaren Energien erzeugt wird.

Die Hamelner Erklärung steht als Download bereit:

Ein Videobericht steht z..B. aus der Internetseite des BUND Hameln-Pyrmont zur Verfügung:

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